23.6.09

8 Lorca bis Tardajos

Mo. 22. Juni, Lorca - Los Arcos
Nach einem kleinen Frühstück wandern Manuel und ich heute zusammen. Er ist am 3. Mai in Basel losgelaufen und wir sind beide fit. So nehmen wir es extra gemütlich auf der heutigen für uns kleinen Etappe von 30 km. Es geht eigentlich ziemlich langweilig auf meist breiten Wegen ohne Bäume und Schatten durch eine relativ monotone Landschaft. Wirklich kein Vergleich zu der viel kleineren Parzellierung in der sehr abwechslungsreichen Landschaft in Frankreich. Dabei sehen wir natürlich auch wieder eine Unzahl von Pilgern, die sich zum Teil nur mühsam über den Parcours quälen. Wiederum hilft uns der kühle Wind, die wärmende Sonne und der kristallblaue Himmel das Ganze besser zu ertragen. Dank Musik aus meinem elektronischen Wunderding und interessanten Gesprächen kommen wir flott voran und sind schon bald in der Stadt Estelle. Nach einem Kurzeinkauf gehen wir weiter und treffen auf ein Kuriosum: Beim Weingut Irache gibt es für den hauptsächlich für Pilger bestimmten Brunnen zwei Hahnen: Einen für Wasser und einen für Rotwein. Nur gut dass morgens um 0945 der Wein nur zögerlich aus der Leitung kommt. Bis zu unserem Mittagshalt wandern wir weiter auf meist für Pilger extra angelegten Wanderwegen abseits der bei uns nicht sonderlich geschätzten Strasse. Das ist echt vorbildlich gemacht von den Spaniern, auch wenn es manchmal fast zuviel des guten ist und Wanderwege extra gepflästert oder betoniert sind. Auch beim Mittagessen auf einem Peloton Platz bei einer Bar sind wir mit Pilgern aus aller Herren Länder zusammen und vermissen beide manchmal die Stille und Abgeschiedenheit des Pilgerweges in der Schweiz oder in Frankreich. Der Nachmittag ist eine öde Wanderung unter der brennenden Sonne bei immer noch kühlendem Windchen vorbei an flachen Feldern und Rebbergen. Dank Musikunterstützung geht dieser Teil viel leichter zu Ende und schon bald sind wir am Ziel in Los Arcos und finden unsere Unterkunft unter österreichischer Führung. Wir werden nett empfangen und erhalten dank unseres Charmes (räusper...) ein Vierbett Zimmer ganz für uns alleine. Nach den üblichen Hausarbeiten wie Duschen und Wäschewaschen besichtigen wir das Dörfchen und warten bei einem kühlen Bier aufs Nachtessen, das für Pilger schon um halb 8 serviert wird. Nach dem nüchternen Verzehr desselbigen ist dann auch schon bald wieder Bettruhe angesagt, denn trotz einer wiederum kurzen Etappe morgen wollen wir frühzeitig los, um die kühlen Morgenstunden zu nutzen.




1: Der Weinbrunnen von Irache
2: Nach getaner Arbeit beim Ausspannen in Los Arcos (ohne Wein !)


Di. 23. Juni, Los Arcos - Logroño

Gemeinsam mit Manuel mache ich mich kurz nach 7 auf die heutige wiederum kurze Etappe von 30 km, die wir gemeinsam angehen werden. Da die Landschaft relativ eintönig und die Wege meist sehr breit sind, vergehen die Stunden einiges schneller, wenn man mit jemandem reden kann. Nach gut einer Stunde kommen wir im nächsten Dorf an um zu frühstücken, natürlich mit einer Horde anderer quasi-Pilger in zum Teil abenteuerlicher Ausrüstung. Ständig sind wir nun umzingelt von anderen Wanderern, jedoch immer in einer Richtung, denn wir überholen alle. Wiederum im strahlenden Sonnenschein und einem netten kühlenden Windchen haben einige schon ziemlich mit den Bedingungen zu kämpfen. In Viana, ca. 10 km vor Logroño, beenden dann die meisten ihren Tag, denn dieses Dorf ist ausgezeichnet als offizieller Etappenort. Wir erfrischen uns kurz und gehen diesmal fast alleine weiter. Die Umgebung durch die nahe Industriezone ist auch nicht so gemütlich und so sind wir dann froh, dass wir kurz nach 2 mit dem Überschreiten des Ebro in Logroño eintreffen. Manuel geht in die öffentliche Herberge und ich nehme mir für 20 Euro ein Einzelzimmer in einer Pension mitten im Zentrum, da die Herberge schon um 10 schliesst und ich mich noch mit Freunden treffen werde. Nach den üblichen Pilgererledigungen treffe ich mich mit meiner ehemaligen Arbeitskollegin Yvonne und ihrem Mann Walti, die auf einer Ferienreise unterwegs sind, am Abend auf dem Platz vor der Kirche. Es ist super, eine gute Kollegin nach so langer Zeit an einem so speziellen Ort wieder zu treffen. Wir haben einen wunderschönen Abend miteinander und der Pilger ruft leider auch schon bald und geht dann kurz vor 23 Uhr schlafen, gerade zur Zeit, als das Fest auf der Strasse vor meiner Pension langsam anläuft und Vorbereitungen fürs Nachtessen getroffen werden. Gottlob geht mein Zimmer auf den Hinterhof, so dass einer Nacht mit intensivem Schlaf nichts mehr im Wege steht.



1: Bitte packt Euren Rucksack nicht derart !


Mi. 24. Juni, Logroño - Azofra
Mit Manuel habe ich gestern noch abgemacht, dass wir heute in Azofra Station machen, d.h. ein Marsch von 37 km erwartet mich. So marschiere ich schon um 0630 los und habe erstmals 15 km bis zum Frühstückshalt zurückzulegen. Nach einem eher dürftigen Bocadillo gehts weiter - und wie: Nach sehr langweiligen Kilometern durch einen künstlichen Park sind nur noch Rebberge angesagt, das meist auf breiten Wegen. Bis jetzt echt der langweiligste Tag. Unterwegs treffe ich Manuel wieder beim Znüni auf einem Bänkli im Schatten von Friedhofsmauern. Zusammen marschieren wir weiter durch ödes Einerlei und machen in Nejara Halt. Hier platzen wir mitten in die Vorbereitungen für das Fest des San Juan. Alle Leute sind in Feststimmung, d.h. kippen sich schon vor 12 diversesten Alkohol ungehemmt hinter die Binsen. Als gute Pilger denken wir an unser Tagwerk und machen uns schon bald wieder auf den Weg weiter durch die unendlichen Rebberge des berühmten Rioja-Gebietes. Um 14 Uhr treffen wir im verschlafenen Dörfchen Azofra ein und suchen die Herberge. Von aussen sieht das Ding ganz akzeptabel aus, auch die Aussicht auf die im Pilgerführer annoncierten 2-Bett Zimmer ohne weiteren störenden Schnarcher motiviert uns. Leider entpuppt sich das Zimmer als enge Zelle mit 2 Pritschen ohne irgend was anderes und das auf höchstens 5 m2. Oh je ! Da wir uns aber schon ein bisschen kennen fällt die Organisation dieser Zelle (welcher Kleidersack von wem kann man wohin tun) noch gnädig aus. Nach den täglichen Pilgerarbeiten verköstigen wir uns in der einzigen Bar am Ort und geniessen einen ganz besonderen Luxus, nämlich ein Fussbad im Springbrunnen der Unterkunft solange, bis die Füsse ganz weich und schwammig werden. Dann heisst es wieder Bericht schreiben und auf den Nachtessen Termin warten, der pilgergerecht bereits um halb 8 stattfindet. Das Nachtessen selbst ist gut und wird sehr speditiv serviert, so dass wir schon nach einer halben Stunde fertig sind. Nach einigen weiteren Diskussionen wollen wir noch zum angepriesenen botanischen Garten, der sich dann aber nach längerer Spaziererei als für uns zu weit weg darstellt. So gehen wir wieder zurück zur Unterkunft und beschäftigen uns bis zur nahenden Bettruhe in dieser überfunktionalen Zelle mit unserem Spezialgebiet, der Etappenplanung.



1: Durch die unendlichen Rebberge des Rioja
2: Ah ist das schön !
3: Unterkunft in Azofra


Do. 25. Juni, Azofra - Villamayor del Rio
Wie fast immer läutet der Wecker um halb 7 und wie fast immer ist strahlend blauer Himmel angesagt. So schlurfen wir kurz vor 7 zur Bar und verwundern uns über ein äusserst spärliches Frühstück. Da die Etappe wie üblich in Spanien auch nicht so schwer ist, kommt es ja auch nicht so drauf an. So müssen wir uns mit dem 2. Frühstück noch 15 km gedulden und kommen sogar noch vor Kirchenöffnung um 0930 in der berühmten Kirche von Santo Domingo de la Calzada an. Das ist hier wichtig, denn in der Kirche leben ein Hahn und eine Henne an prominenter Stelle und erinnern an eine Pilgersage, die sich in frühen Zeiten zugetragen haben soll. Dieser Brauch wird nun mit den armen Tieren bis heute weitergepflegt, immerhin werden die Tiere alle Woche mal ausgewechselt und in der nahen Pilgerherberge aufgezogen. Nach dem Bocadillo hat dann auch die Kirche geöffnet und wir sehen auch noch die Viecher, laufen dann aber schon bald weiter. Manuel entscheidet sich für eine längere Variante und so trennen sich hier unsere Wege. Die Reben machen dem Getreide Platz und ich wandere in die Provinz Kastilien und Leon. Die Landschaft wird noch eintöniger und zum Teil sehe ich meinen Weg schon kilometerweit im voraus. Der von mir so geschätzte Wind begleitet mich die ganze Zeit und macht die jetzt so stupide Lauferei erträglicher. Kurz nach 14 Uhr komme ich endlich im kleinen Dorf Villamayor del Rio an und ich finde die Herberge etwas abseits des Dorfes. Neben mir ist erst eine andere Person in der Unterkunft und so gehe ich erstmal ins kleine Dorf um zu essen. Vorbei an einem horizontalen Etabilissement ohne Pilgerrabatt komme ich zu einem schicken Restaurant, wo ich zuerst einmal überkritisch gemustert werde. Die zwei italienischen Pilger vorher wurden wegen ihrer Kleidung nicht akzeptiert und auch ich werde trotz langen Hosen höchstens geduldet. Wieso dass die denn als Tellerset den Jakobsweg abbilden, aber nichts mit Pilgern zu tun haben wollen, bleibt wohl deren Rätsel. Als ich wieder in die Unterkunft zurückkehre treffe ich eine junge Schweizerin aus Solothurn und wir lachen ausgiebig zusammen. Auch Manuel trifft ein, der aber offensichtlich einen ziemlichen Umweg gemacht hat. Das Nachtessen ist erstaunlich ausgiebig, findet aber in einem etwas traurigen Raum statt. So ist dann auch schon bald wieder Nachtruhe angesagt und im ganzen 4 Fussppilger (neben uns 3 Schweizern noch ein Nordländer, den ich wegen seinen langen Haaren als Jesus tituliere) und 2 spanische Radpilger suchen ihren verdienten Schlaf in dieser barackenähnlichen Unterkunft.



1-4: Unterwegs in der spanischen Unendlichkeit
5: Unterkunft in Villamayor del Rio


Fr. 26. Juni, Villamayor del Rio - Agès

Was für eine Überraschung: Statt blauer Himmel warten einige harmlose Wolken auf uns. Nach dem wiederum etwas kläglichen Frühstück machen sich Manuel und ich auf den monotonen Weg, der für viele Kilometer mehr oder weniger entlang der vielbefahrenen Strasse führt. Nach einem zweiten Frühstück mit einem knusprigen Bocadillo gehts für eine halbe Stunde wieder mal etwas den Hügel hoch durch einen Eichenwald und dann mir unendlich erscheinend entlang einer breiten Brandschneise bis zu einem hübschen kleinen Dorf, wo wir als Mittagessen schon wieder ein Bocadillo verzehren. Als Abschluss gehts noch eine knappe Stunde unterstützt durch Bluesmusik bis zu unserem Etappenziel, wo wir als Nummern 6 und 7 einchecken. Glücklicherweise sind wir nicht ein Dorf weitergegangen, denn dort ist offensichtlich die Alberge bereits schon ausgebucht. So ist wieder mal Warten aufs Nachtessen angesagt, dank freundlicher Unterstützung der Sonne jedoch sehr angenehm gestaltet. Durch diese Wanderei in einer im Vergleich zur Schweiz und Frankreich gelinde gesagt nicht sehr abwechslungsreichen Landschaft schmilzt für mich der Tag immer mehr zusammen zu Essen und Einpacken und danach Auspacken, Duschen und Schlafen. Immerhin schmilzt auch die Distanz nach Santiago mit jedem Tag durch Etappen immer über 30 km spürbar und so ist bei einer verbleibenden Distanz von etwa 530 km das Ende bereits schon leicht in der Magengegend spürbar. Die sogenannten Pilger werden von Etappe zu Etappe auch immer ausgefallener, ich denke, viele sind auch mehr auf einem Esoterik- oder sonstigem Trip um Aufzufallen oder zu Gefallen. So treffen wir heute eine völlig abgedrehte Feministin aus Holland, die sich bescheidenerweise als Zentrum der Welt definiert, eine Möchte-gern Opernsängerin aus Kanada, die alle Minute eine paar schräge Töne fahren lässt (ja aus dem Mund woraus denn sonst), ihr Begleiter aus Deutschland, der eine kleine Gitarre, eine sog. Ukulele, mitschleift aber überhaupt nicht spielen kann sowie einen Alkoholiker aus Spanien mit hochrotem aufgeschwollenem Kopf. Einen sehen wir, der 3 Keulen zum Jonglieren am Rucksack angehängt hat... Was soll das eigentlich?? Und wo sind wir denn überhaupt ?? Das Nachtessen mit einer hausgemachten Paella ist dann aber der Hit und die Herbergsmutter ist sehr herzlich und spendiert Manuel und mir dank unserem Charme und Spanischkenntnissen (haha schon wieder) am Schluss noch 2 feine Orujo, grappaähnliche feine Wässerchen, die uns danach schon bald in einen festen Schlaf wiegen.


Sa. 27. Juni, Agès - Tardajos
Tagwache ist bei uns heute um 6 und nach einem Selbstbedienungs-Frühstück mit einem nur knapp lauwarmen Kaffee machen wir uns im Nebel auf den Weg. Nach einem schönen Stück Weg durch die Natur geht es bei einigen kleinen Dörfchen vorbei die, wie es uns scheint, gesegnet sind, dass der Jakobsweg mit diesen vielen hungrigen und durstigen Kehlen genau durch ihr Dorf führt. Danach kommt ein trauriges Stück Weg vorbei am neuen Flughafen von Burgos, dann durch die Industriezone und alles geradeaus durch die Quartiere. Der Baustil hier ist erschreckend ähnlich dem früheren DDR Stil und so bin ich froh, dass bald die wirklich schmucke Innenstadt mit der riesigen Kathedrale erscheint. Wir kaufen unser Mittagessen im Supermarkt ein und schlemmen direkt vor der Kathedrale was das Zeugs hält. Die Kathedrale besuchen wir nicht, da diese Eintritt kostet und wir beide nicht solch einen fehlgeleiteten Tourismus fördern wollen. Mit übervollem Magen machen wir uns dann in gemächlichem Tempo durch die Stadt und auf die letzten 10 km durch eine schon ziemliche windstille Hitze. Auf den letzten Metern müssen wir uns schon fast vorwärtsprügeln, bis wir endlich das Dorf sehen. Unsere Pension winkt gleich am Dorfanfang und so machen wir es uns in den vorreservierten Einzelzimmern bequem. Nach einem Schläfchen besuche ich den sehr ruhigen Ort und wir beenden den Tag mit einem guten und nahrhaften Nachtessen im Restaurant des Hotels.


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