Diese Nacht war ja speziell: 1.: Von 6 Personen im Raum kommen 5 aus verschiedenen Ländern. 2.: Der koreanische Vater mit seinem Sohn hat den Schnarchwettbewerb ohne Mitbewerber in einem einseitigen Wettkampf haushoch gewonnen. 3.: Ab 23 Uhr bis mindestens um 4 wütete Donar und brachte Gewitter mit Donner, Blitz und zum Teil starkem Regen. 4.: um 5 war es dann totenstill und der ganze Spuk vorüber, dafür war die ganze Landschaft in eine dicke Nebelschicht gehüllt. So kommt es, dass ich mich kurz nach halb 8 im dicken Nebel aufmache für die letzten 630 Höhenmeter bis zum höchsten Punkt. Nach einer Weile des Anstiegs in dichtem Nebel kommt dann das Unglaubliche: Die Sonne bricht scheu durch den Nebel und je höher ich steige, desto mehr sehe ich ein phänomenales Nebelmeer unter einem tiefblauen Himmel. Ich marschiere einige Zeit mit einem sympathischen australischen Pärchen und wir erleben zusammen den Grenzübertritt über die wahrhaft grüne Grenze nach Spanien ! Ich bin ergriffen !! Immer wieder sehe ich die Europakarte vor meinen Augen und versuche mir vorzustellen, was ich schon für eine unglaubliche Strecke zurückgelegt habe. Alleine komme ich kurz darauf am höchsten Punkt auf einem Pass an und esse in voller Wonne und verschwindendem Nebelmeer meinen Apfel. Dann beginne ich meinen Abstieg und kann es noch immer nicht fassen, dass ich in Spanien sein sollte, bis mir dann Wanderer entgegenkommen und mich mit dem spanischen "Ola" begrüssen. Kein "Bon jour" mehr, gar nicht schlecht ! Allein ich kann es nicht glauben und bin der festen Überzeugung, dass mich hier jemand verarschen will. Ich wandere noch durch ein paar Dörfer weiter, denn morgen will ich in Pamplona ankommen. So lande ich denn im verschlafenen Viscarret und werde vor 3 (mitten in der Siesta) relativ kühl empfangen. Dass ich wirklich in Spanien bin merke ich dann neben der Sprache schnell, denn das Nachtessen wird (oh je !) erst um halb neun serviert ! So schlafe ich erst mal eine Runde vor und warte auf die späte Stunde und mein erstes spanisches Mahl. Pünktlich um halb 9 möchte ich gerne essen, doch die Haushalthilfe ist die einzige Person im Haus und nichts ist vorbereitet. Ich bin wirklich hungrig und werde langsam hässig. Minuten später kommt dann die Chefin und setzt mir ein liebloses Menu vor und selbst danach habe ich wegen den kleinen Portionen immer noch Hunger. Ein richtiger Reinfall diese Unterkunft. So bestelle ich mein Frühstück ab und werde morgen früh ohne Frühstück losmarschieren und erst später essen. Ich bin am Nachmittag dann ja in Pamplona (hei ich kanns immer noch nicht fassen, mir bleibt nichts anderes übrig, als den mitgeführten Unterlagen zu glauben !).











1-8: Durch den Nebel in die Sonne und über die Pyrenäen
9: Der Grenzstein von Navarra, mein erster Schritt in Spanien
10: Ist das jetzt motivierend oder nicht ?
11: Die wunderschöne Landschaft von Navarra
Fr. 19. Juni, Viscarret - Pamplona
Wie immer stehe ich früh auf und gehe ohne Frühstück nach 7 aus dem Haus. Voll motiviert fräse ich gegen Pamplona, obwohl ich mir im Wald auf einem schönen Weg wie in einem schlechten Film vorkomme, denn ich kann es einfach nicht glauben, dass ich in Spanien sein soll ! Im nächsten Dorf mit Bar nach 2 Stunden nehme ich ein feines Bocadillo (Sandwich mit Käse und Schinken) und gehe dann in angenehm kühler Luft und bei bedecktem Himmel weiter. Immer wieder machen mir kleine unerwartete Anstiege zu schaffen, denn ich will nur noch diese Stadt sehen und endlich eine richtige Bestätigung dafür haben, dass ich wirklich in Spanien sein soll ! Nach einem kurzen Mittagshalt und immer noch in schöner Natur bin ich plötzlich wie durch die Hintertür in einem Vorort von Pamplona. Es haut mich fast um, denn es sprechen wirklich alle Spanisch und offensichtlich erlaubt sich niemand einen schlechten Scherz mit mir. ICH BIN IN SPANIEN, HURRAA !! Wie ein Traumwandler laufe ich durch 2 Vororte und bin dann endlich an der berühmten Brücke La Magdalena und bin da, im Zentrum der spanischen Stadt Pamplona, bekannt für Stierenhatz und Haupstadt der baskischen Provinz Navarra ! Ich suche mir eine Unterkunft mitten im Zentrum und kriege nur für mich ein 3-Bettzimmer direkt an der Strecke, wo in 3 Wochen beim Festival de San Fermin die Stiere durch die Stadt gehetzt und nachher in der Arena gemetzelt werden. Nachdem ich mich durch eine umfangreiche Dusche geschmacklich wieder auf ein akzeptables Zivilisationsniveau gebracht habe, gehe ich ins nahegelegene Restaurant und haue so richtig rein. Gut kann man hier bis halb 4 Mittagessen. Danach trinke ich in einem netten Strassencafe direkt auf dem Hauptplatz einen Kaffee und merke, dass ausser der Kleidung und den schmerzenden Füssen mich schon fast nichts mehr an meine bisherige Monstertour erinnert. Das macht mich nun schon etwas nachdenklich, gerade verglichen zu meinen Asienreisen. Doch sind es wie immer die Menschen, die den Unterschied machen, und die sind in Asien für mich halt eben schon um einiges beeindruckender als Franzosen oder Spanier. Die Stadt gefällt mir eigentlich gar nicht schlecht und ich schlendere gemütlich durch die Gässchen der Innenstadt, nur die unmögliche Essenszeit der Spanier wird mich wohl bis zum Schluss stören. So kaufe ich ich einem Laden so richtig ein und verzehre mein Nachtessen zu einer mir passenden Zeit gemütlich in meinem Bett. Dass mein Zimmer ein Fenster direkt auf die Gasse hat wird mir erst langsam bewusst, denn der Lärm wird mit zunehmender Uhrzeit immer schlimmer und ebbt erst gegen morgens um 5 ab. So schlafe ich in Raten und steige dafür erst um 10 aus dem Bett in meinen wohlverdienten zweiten Ruhetag.

1: Bald bin ich in Pamplona !
Sa. 20. Juni, Pamplona (Ruhetag)
Glücklicherweise sehe ich gleich den Vermieter und kann am Morgen in ein ruhigeres Zimmer wechseln. Dann suche ich mir einen netten Platz zum Frühstücken und muss mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass das französische Frühstück mit Brot, Butter und Confiture nun endgültig der Vergangenheit angehört, denn hier gibt es entweder Sandwiches gefüllt mit Schinken und Käse oder verschiedene süsse Stückchen. So wird ausser dem Kaffee nichts mit einem schönen Frühstück und nachdem so ein paar Stückchen unten sind mache ich mich auf zu einer Stadtschlenderung. Echt schön für mich, wieder mal in einer Stadt zu sein und das Pilgerleben weit hinter mir zu lassen. Nach dem Besuch der Zitadelle gehe ich dann auf dem Pilgerweg zurück und prompt treffe ich Jürg wieder an, wie ich es mir eigentlich auch gedacht habe. Nach einem freudigen Wiedersehen und dem Austausch des üblichen Pilgerklatsches nehmen wir zusammen mit seinen Begleitern aus Belgien und Kanada einen Kaffee (ah ja natürlich im herrlichsten Sonnenschein). Wir können es beide nicht glauben, dass wir zu Fuss bis nach Spanien gelaufen sind und bewegen uns hier fast wie in einer Traumwelt. Wir sehen den Rest des Jakobsweges bis nach Santiago fast so etwas wie die Kür nach den harten Wochen mit dem vielen Auf und Ab, die hinter uns liegen. Nachdem die Drei sich wieder auf den Weg ins nächste Dorf gemacht haben suche ich ein nettes Plätzchen zum Mittagessen. Danach geniesse ich einen weiteren Kaffee und muss erstmals eine Siesta halten und so schlafe ich den Rest des Nachmittags. Am Abend schlendere ich wieder durch die belebte Innenstadt und wieder kommt die leidigliche Suche nach einem Restaurant, die sich gnädigerweise herunterlassen, vor 9 oder 10 Uhr abends etwas Warmes zu servieren. So werde ich nach langer Suche in einem Kebab Laden fündig und verzehre zusammen mit anderen Ausländern gut abgeschirmt von den Spaniern zur Unzeit um 2010 mein warmes Mahl. Die Spanier selbst hängen alle in den Gassen rum, hören live Musik von diversen Gruppen und trinken und reden und trinken und reden und reden.....
So gegen halb 10 bin ich dann im Bett und möchte in meinem nun ruhigen Zimmer schlafen doch wiederum lässt man mich nicht: 2 vermutliche Roma Familien haben sich auch einquartiert und machen ihrem Ruf alle Ehre. Das heisst trotz Aufforderung meinerseits zur Ruhe um 23 Uhr lärmen die munter weiter. So wird es halt mal wieder eine kurze Nacht... Doch wie sagen wir Pilger: Das ist halt der Camino....

1: Politisch werden in Spanien ist nicht meine Sache, aber plötzlich waren wir mittendrin !
So. 21. Juni, Pamplona - Lorca
Um halb 7 verlasse ich die unsägliche Unterkunft und mache ich mich durch das ruhige Pamplona auf meine heutige 38 km lange Etappe und stelle erstaunt fest, wieviele junge Leute schon unterwegs sind. Der Grund dafür wird mir erst etwas später klar, als ich eine Gruppe junger Frauen in schönen spanischen Tanztrachten sehe: Die kommen ja erst vom Ausgang nachhause ! Tja das späte Nachtessen ist so zumindest gut verdaut. Im nächsten Dorf esse ich ein feines französisches Frühstück und der Wirt erzählt mir dabei voller Freude die Geschichte einer offensichtlich sehr netten Schweizerin, die er vor einigen Jahren kennengelernt hat. Als ich so gegen 8 aus der Bar trete trifft mich fast der Schlag: Wie bei einer Völkerwanderung aufgereiht sind die unzähligen Pilger, die in diesem Dorf, einem offiziellen Etappenort, aus den Herbergen strömen. Meine Strategie, die bekannten Etappenorte so weit als möglich zu meiden scheint also aufzugehen. So muss ich mich schweren Herzens auch einreihen und mich über den Pilgerweg quälen, der mir fast wie eine belebte Autobahn erscheint. Beim Abstieg vom ersten Hügel hole ich dann auch Jürg und seine 2 Begleiter mit einem improvisierten Schweizer Jodel wieder ein. Die Kanadierin ist wie so viele andere hier auch am humpeln und hat Probleme mit ihrem Knie. Überhaupt kommt es mir machmal so vor, als ob ich hier wie durch ein grosses Freiluftlazarett wandere durch die grosse Anzahl von Neupilgern, die erst vor 2 Tagen begonnen haben und noch die Pyrenäen in den Knochen und Blasen haben. Nach einiger Zeit verabschiede ich mich von den 3, da ich heute noch weiter will als sie. Beim offiziellen Etappenort Puente la Reina wimmelt es dann richtig von Pilgern und das heisst für mich: schnell weiter. So finde ich im nächsten kleinen Dorf ein nettes Lokal zum Essen und wie angenehm verglichen zu den französischen Schlafsiedlungen trifft sich die Bevölkerung hier auch miteinander. So werde ich von allen Gästen mit einem freundlichen "bon provecho" (guten Appetit) willkommen geheissen. Nach dem Essen geht es noch knapp 10 Kilometer bis in ein nettes kleines Dorf namens Lorca, wo ich vom Angestellten der kleinen Unterkunft herzlich begrüsst werde. Was mir auf der ersten richtigen Spanienetappe auffällt ist folgendes: 1. Die Anzahl der Pilger ist viel grösser als vorher. 2. Die Pilger sind viel anonymer als vorher und begrüssen sich zum Teil nicht mal mehr. 3. Die ganze Welt ist hier vertreten. 4. Landschaftlich hat sich das Bild ziemlich verändert: Grosse Flächen in fast ebener Landschaft fast ohne Schatten. Gut weht neben dem schon obligaten Sonnenschein ein zum Teil kräftiger kühler Wind, so dass ich schon fast mit dem Pullover laufen muss. Wenn das so weiter geht gibt das ein Jahrhundertjahr... So schreibe ich meinen Bericht wieder mal im Sonnenschein auf einem schönen Bänkli direkt neben dem Dorfbrunnen und warte aufs Essen, das um 19 Uhr serviert werden soll. Beim Nachtessen lerne ich dann noch den 21 jährigen Manuel aus Basel kennen und während dem durchschnittlichen Essen unterhalten wir uns zumindest angeregt über Gott und die Welt, sehr zum Missfallen einer älteren tschechischen Frau, die unserem Schweizerdeutsch nicht unbedingt so gut folgen kann. Kurz darauf ist das Tagwerk bereits schon wieder absolviert und die Engel rufen zur Ruhe.





1-5: Die Landschaft ändert sich stark und wird offener
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