Was für ein Schock in der Wabe am Morgen vor 6: Viele Bienen sind schon emsig am Sack packen oder sich sonst emsig am bewegen (meist Spanier, die hier ihren Camino beginnen) und der grosse Esssaal ist vollgepackt mit Matrazen, auf denen es sich auch schon emsig bewegt. Kurz nach 6 kann ich denn aus diesem irren Ding in die Freiheit entfliehen und mache mich wieder mal auf den Weg. Doch was für eine Überraschung: Nach kurzer Zeit bin ich ganz alleine und das ändert sich auch den ganzen Tag nicht mehr. In welche Richtungen wurden auch diese so emsigen Bienen fehlgeleitet ? So freue ich mich an einem bedeckten Himmel und laufe in der kühlen Luft fast den ganzen Morgen im Pulli. Wieder mal gehts an Reben vorbei, diesmal am Bierzo. Die Suche nach einem Frühstück gestaltet sich heute etwas schwieriger, denn vor 8 haben die nicht mal frisches Brot für einen Boccadillo. So laufe ich denn über 3 Stunden, bevor ich in einem Dorf ein wundervolles Schinken-Käse-Sandwich bekomme. Danach gehts weiter und das erste Mal sehe ich eine Tafel, dass es nach Santiago weniger als 200 km weit ist. WOW ! Ein Pappenstiel ! Motiviert gehts weiter durch ein enges Tal und ich wandere neben einem Flüsschen, was eigentlich noch romantisch wäre, wenn der Wanderweg nicht neben der Strasse nur durch ein Betonmäuerchen getrennt wäre und sich die monumentale Autobahn wie auf Riesenstelzen nicht auch noch in dieses Tal zwängen würde. So spule ich meine letzten unromantischen Kilometer ab, bis ich in der einzigen brasilianischen Herberge auf dem Pilgerweg ankomme, was für mich natürlich ein Pflichtstopp ist (da lauf ich dann gerne wieder mal 40 km). Brasilianisch werde ich empfangen und ich buche gleich ein Einzelzimmer mit Halbpension. Nach dem Duschen und dem Mittagessen kehre ich wieder in die Alberge zurück, da es aufgrund eines fehlenden Dorfes auch nichts zu besichtigen gibt. Wir sind im gesamten 5 Pilger und ich lerne einen älteren amerikanischen Priester kennen, mit dem ich mich dann den ganzen Abend lang blendend und sehr interessant unterhalte. Um 21 Uhr geniesse ich bereits wieder mein Einzelzimmer und werde bald darauf von den Engeln des Jakobus abgeholt.

Di. 7. Juli, Vega de Valcarce - Triacastela
Pünktlich um 0630 wird ein reichhaltiges Essen serviert, bevor ich mich nach 7 von der Brasilianerin in den kalten und bedeckten Morgen verabschiede, um erst einige Kilometer weiter ins enge Tal hinein zu wandern. Danach beginnt der letzte wirkliche Anstieg des Jakobsweges, etwa 700 Höhenmeter bis zum höchsten Punkt. Heute läuft es wieder mal super gut und erst der Hunger stoppt mich am späten Vormittag. Vorher passiere ich aber noch den Grenzstein zum letzten Departement des Jakobsweges in Spanien, nämlich der Übergang von Kastilien nach Galizien. Von dort sind es noch 150 km (ha ein Klacks !) und jeden halben Kilometer verfolgen mich nun diese Steine bis ins Ziel. Weiter gehts bei frischem Wind auf 1300 m mit dem Pullover durch eine schöne, bergige Landschaft und immer abseits der Strasse. Diese Umgebung stimuliert mich noch mehr und ich fliege förmlich dieselbe Anzahl an Höhenmeter runter zum Etappenort Triacastela. Kurz vorher treffe ich noch meine 3 Spanier und gemeinsam quartieren wir uns in eine schöne und moderne Herberge in einem 4-er Zimmer ein. Nach dem gemeinsamen Mittagessen dusche ich und spaziere fit und munter durchs Dörfchen, als ob ich erst grad aufgestanden wäre. Nur schade, bricht diese körperliche Hochform nachher wieder zusammen, vermutlich eher dramatisch als kontinuierlich. Zum Nachtessen gibt es heute Krake nach galizischer Art (pulpo gallego) und bald darauf gehts mal wieder ins Bett. Leider wird meine Nachtruhe von Juan dem Madrilenen mit seinem nervtötenden Schnarchen erheblich gestört und da meine schon bewährten Zischlaute bei ihm nichts nützen muss ich bei ihm zu radikalen Mitteln greifen um ihn wieder verstummen zu lassen. So veranstalte ich mitten in der Nacht ein kleines Erdbeben mit seinem Bett und schüttle es heftig hin und her. Das führt bei ihm immerhin zu sofortiger Stille und bei mir dazu, dass ich nach kurzer Zeit wieder meinen verloren geglaubten Schlaf finde.

1: Wunderschöne Landschft in Galizien
Mi. 8. Juli, Triacastela - Mercadoiro
Nachdem die 3 Spanier wie immer so um 5 das Haus verlassen, drehe ich mich nochmals in Ruhe um und gehe dann um 6 in die Bar, um zu frühstücken. Danach gehts in den kalten und wie fast immer wolkenlosen Tag hinein. Es ist immerhin so kalt und die Strecke wieder so flach, dass ich mich dem Pullover erst nach meinem Bocadillo Halt nach 10 Uhr entledigen muss. Wiederum nehme ich mehr neue, vor allem spanische Pilger in noch sauberer Ausrüstung wahr, denen es lediglich darum geht, dieses Diplom, die Compostela, zu erhalten, wenn man nachweisen kann, dass man die letzten 100 km zu Fuss zurückgelegt hat. Diesen Stein sehe ich auch tatsächlich einige Kilometer vor meinem Etappenort ! Mittlerweilen zweifle ich auch gar nicht mehr daran, dass ich Santiago wirklich erreichen werde. Jedoch nimmt nicht nur die Anzahl der Pilger zu, sondern auch die Anzahl völlig unzureichend ausgerüsteter Pilger. So ist es heute auf der eigentlich schönen Strecke in einer Landschaft, die mich sehr an die Schweiz erinnert, häufig ein richtiges Slalomlaufen um die Pilger herum, die sich manchmal kaum noch auf den Beinen halten können. Die heutige Etappe ist nicht so lang, aber es macht leider keinen Sinn weiterzugehen, denn es kommt noch vor Santiago eine Strecke, wo es während etwa 20 km nur wenige kleine Unterkünfte gibt und das Risiko einfach zu gross ist, dass diese schon besetzt sind wenn man ankommt. So wasche ich noch das letzte Mal einige Wäschestücke und relaxe für den Rest des Nachmittags. Nach dem Nachtessen draussen, bei dem man wirklich froh ist, dass der Tisch in der Sonne steht, da es sonst empfindlich kühl wird, bin ich kurz nach 21 Uhr im Bett, gerade auch da ich für einmal ausser einem Dorfbewohner in der kleinen Herberge auf dem Land keinen Gesprächspartner gefunden habe. Vor allem Spanier sind hier und alle entweder mit der Familie oder mit Freunden.




1: Meine spanischen Wandergesellen
2: Der 100 km Stein !
3: Meine nette Unterkunft in Mercadioro
4: galizischer Maisspeicher
Do. 9. Juli, Mercadoiro - Palas de Rei
Noch 95 km, es ist kaum zu glauben ! Wie in Trance wandle ich ins Cafe und treffe einen pensionierten Nestle Manager aus US und eine nette ältere Dame aus Schweden. So diskutieren wir während des Frühstücks etwas miteinander und dann mache ich mich um 7 auf den Weg. Da unsere Alberge 6 km vor dem offiziellen Etappenort liegt wandern wir auch bis dorthin alleine. So diskutiere ich mit der Schwedin auch ganz angeregt und wir geniessen die Ruhe und den Nebel in den Tälern bei aufgehender Sonne. Dann gehts los ! Fertig mit der Ruhe ! Ströme von spanischen Diplomerhaschungspilgern ergiessen sich in Gruppen aus dem Etappenort Puertomarin runter auf die Brücke über den Stausee. So geht mein Slalomstangenlaufen wieder weiter durch all diese Leute, die mit ganz anderen Motiven und Motivation laufen als wir "Altpilger". Leider bleibt mir nichts anderes übrig, als die beiden nächsten Übernachtungen in offiziellen Etappenorten zu verbringen, da es besonders nach dem letzten Ort vor Santiago über eine längere Distanz keine Alberge mehr gibt. Da ich natürlich schon früh im heutigen Etappenort Palas de Rei bin suche ich mir in Ruhe ein Einzelzimmer in einer Pension und finde dann den absoluten Pilgerluxus, nämlich ein grosses Bett mit eigenem Bad und WC ! Dann kaufe ich mein Busticket ab Santiago für nächsten Dienstag und esse die galizische Spezialität Pulpo im von Einheimischen vorgeschlagenen Restaurant direkt am Jakobsweg. Dabei kann ich verfolgen, wie fast im Sekundentakt sich diese Pilger ins Dorf ergiessen und typisch spanisch, alles in Hektik und mit noch mehr reden organisieren. Gut komme ich übermorgen an, denn das macht echt keine Lust mehr. So mache ich mich aus dem Staub, als auch viele mein Restaurant überfluten und voller Argwohn darauf zielen, wann ich mich wohl endlich vom Tisch erheben werde. Ich mache mich auf zur Siesta in meinen Luxustempel mit wundervoller Aussicht. Beim Aufwachen abends gegen 18 Uhr muss ich dann aber mit Entsetzen feststellen, dass die Sonne gar nicht mehr scheint ! Ich habe mich ja schon so daran gewöhnt... Ich kaufe das Nachtessen im Supermarkt ein, esse auf dem Balkon des Zimmers und geniesse die Aussicht, bevor es mich dann schon bald wieder ins Bett zieht. Zum einen denke ich schon fast etwas wehmütig ans baldige Ende, zum anderen freue ich mich auch, dass es bald zu Ende ist und ich im Anschluss daran einen Monat in der Schweiz verbringen werde.

1: Völkerwanderung auf der Pilgerautobahn
Fr. 10. Juli, Palas de Rei - Arzúa
Bald ist es geschafft ! Noch eine Nacht, dann komme ich an und muss nicht mehr weiter laufen ! So bin ich wieder um halb 7 auf der Piste, obwohl die heutige Etappe nur knapp 30 km lang ist. Ich will wieder ein so schönes Zimmer und keine Massenherberge mehr ! Gottlob verdauen die meisten Spanier um diese frühe Zeit noch ihr Nachtessen, so dass es wieder schon fast so ist wie früher. Die Landschaft ist echt schön, sie erinnert mich mit den Ansiedlungen und der Landschaft mit dem ewigen Auf und Ab fast ein bisschen an die Schweiz, nur dass es hier Eichen- und Eukalyptuswälder gibt. Im Gegensatz zu Frankreich, wo der Jakobsweg vielfach extra an den Dörfern vorbeigeführt wird und in der Natur bleibt, geht der Jakobsweg hier in Spanien extra durch alle Ansiedlungen und an allen Cola-Automaten vorbei. So muss ich denn auch nicht lange auf mein Frühstück warten, natürlich ein grosses Bocadillo wieder mit Schinken und Käse. Heute komme ich irgendwie nur harzig voran, ich fühle mich müde und die Muskeln tun weh - Das ist morgen dann wieder anders, so gut kenn ich meinen Körper mittlerweilen schon. Aber irgendwann hat alles Leid ein Ende und so treffe ich schon vor 13 Uhr und nach einigen quälenden Aufstiegen in meinem letzten Etappenort Arzúa ein. Wiederum kann ich noch vor der Masse mein Zimmer aussuchen und finde ein schönes günstiges sogar mit TV. Nach dem Mittagessen und dem Siestaschlaf schaue ich mir noch die Tour de France Ankunft in den Pyrenäen an und setze mich danach gemütlich in ein Gartenrestaurant, um diesen Bericht zu schreiben und um zu warten, bis das erste Restaurant um 1930 das Nachtessen serviert. So gehe ich wieder ins gleiche Restaurant zum Nachtessen und werde wiederum sehr verwöhnt. Danach folgt meine letzte Nacht unterwegs als Pilger.
Sa. 11. Juli, Arzúa - Santiago de Compostela
Heute morgen ist vom Ablauf her eigentlich alles wie sonst, ich bin sogar schon um 0620 auf der Piste, weil es immerhin noch 42 km bis Santiago sind. Doch ist offensichtlich schon alles anders, weil es der letzte Morgen als Pilger ist. So lauf ich denn halt einfach mal so wie immer in den 69 Wandertagen vorher. Auch sonst ist alles gleich, d.h. kühl und leichtbewölkt, was im Laufe des Tages zu warm und absolut wolkenlos umschlägt. Immerhin eines ist anders, denn es ist neblig, zum Teil sieht man nur etwa 50 Meter weit. Will mir hier einer den Blick auf das Ziel verübeln oder vernebeln ? So laufe ich durch eine schöne Landschaft wiederum in einem netten Auf und Ab vorbei an Eichen- und Eukalyptuswäldern und durch nette, aber arme Dörfer. Glücklicherweise sind um diese Zeit noch nicht viele Pilger unterwegs, da die meisten aus meiner Etappe deren zwei machen und erst später starten. Vor einer Herberge sehe ich kurz vor 11, wie einige junge Leute sogar vor der Türe schlafen, so chaotisch ist die Situation in diesen günstigen Massenbeherbergungsbetrieben. Ich lasse mich teilweise von Maria Callas und ihren Jahrhundertarien begleiten und motiviere meinen Körper, denn der hat heute offensichtlich schon wieder einen Ruhetag. Langsam kommt aber auch der auf Touren und so spule ich meine Kilometer ab bis ich 5 km vor Santiago auf dem Monte Gozo erstmals mein Ziel, die Stadt Santiago sehe. Ich sehe das ganze relativ emotionslos und es kommt mir irgendwie vor wie letztes Jahr auf dem Schiff, als ich dank der Elektronik genau wusste, wann man Land sehen wird. Freudiger wird die Sache dann schon, als ich auf dem Stadtschild auch tatsächlich "Santiago" sehe und ich extra ein paar Radpilger anhalten muss, um dieses Foto des Schildes mit mir zusammen für die Geschichtsbücher zu machen. Der Rest ist schnell erzählt, denn ich bin schon bald in der Innenstadt und stehe vor dieser riesigen, monumentalen und steinalten Kathedrale, die teilweise wie eine alte Diva mit Moos bewachsen ist. Die weltlichen Fragen sind mir aber viel näher und so mache ich mich schnurstracks auf zur Touristeninformation, die dann nach einigem Suchen ein nettes Hotel mit allem Drum und Dran finden (man gönnt sich ja sonst nichts). Nach dem Einquartieren (Rucksack in die Ecke schmeissen) gehe ich gediegen Essen und halte dann meinen Siestaschlaf bis abends um 18 Uhr. Nach dem Duschen schlendere ich durch die wirklich nette Innenstadt und lese, dass morgen abend auf dem Platz vor der Kathedrale Lou Reed und Laurie Anderson spielen. Nun setze ich mich auf selbigem Platz auf eine Steinbank, geniesse den Blick auf die in der Abensonne schön erleuchtete Kathedrale und schreibe diesen Bericht. Ah ja und noch was: Verdammt ich habs geschafft und bin zu Fuss von der Schweiz bis nach Santiago de Compostela gelaufen !!! Ist ja Wahnsinn in 70 Wandertagen durch halb Europa zu laufen !!! Ich bin vor allem zufrieden und dankbar, dass das mein Körper so gut durchgehalten hat. Irgendwie macht das Spass auf mehr und natürlich hab ich auch schon Ideen, die ich aber wirklich niemandem verrate bis zum Tag der Ausführung. Vielleicht werde ich sonst als noch verrückter eingestuft als es jetzt schon teilweise der Fall ist. Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich ein solches Leben führen kann und immer neue Ideen habe, was ich irgendwo in der Welt gerne unternehmen möchte. Am Abend dann noch die Überraschung: Ich treffe Manuel, Anne und David wieder. Was haben denn diese Jungen gemacht, obwohl die hinter mir waren ? Antwort: Denen waren die Herbergen auch zu chaotisch und haben beschlossen, die letzten 120 km durchzulaufen ! Tja wahrscheinlich spinnen alle ein bisschen, die mal beschlossen haben, von Zuhause aus nach Spanien zu laufen.... Schon bald ruft aber mein Bettlein und ich bin noch bälder im 7. Pilgerhimmel.



1: Der letzte Tag beginnt im Nebel
2: Ohne Worte !!!
3: Die Kathedrale von Santiago de Compostela
So. 12. Juli, Santiago de Compostela (Ruhetag)
Wie schön: Aufstehen um 1030 und Frühstücken gleich im Hotel ! Dann gehts zur Kathedrale, wo ich bei der Pilgermesse um 12 auch noch sakral meinen Pilgerweg zu Ende bringen möchte. Erster Schock: Es ist bewölkt, die Strassen sind nass und es regnet aus dem Nebel raus. Haha wie habe ich doch Glück gehabt mit dem Wetter ! Zweiter Schock: Schon eine halbe Stunde vor Beginn der Messe ist die Kirche gefüllt mit Hunderten von Pilgern und anderen Zuschauern. Darum fehlt hier die spezielle Atmosphäre von Le Puy oder Conques und so stelle ich mir halt Mr. Bean mit seinem Sketch in der Kirche vor und muss fast lachen. Am Schluss komme ich dann noch in den Genuss, wie das weltgrösste Weihrauchgefäss an einem riesiegen Tau durch die ganze Kathedrale geschwenkt wird. Das hat früher offensichtlich bei Pilgermessen geholfen, den penetranten Gestank all dieser Pilger in der Kirche für die Kirchenoberen etwas erträglicher zu machen. Am Schluss applaudieren alle wie in einer Zirkusvorführung. So habe ich denn das auch hinter mir und gönne mir ein feines Churrasco mit einer riesigen Menge von Fleisch auf der Holzkohle und gehe nachher wieder zur Siesta ins Hotel zurück. Am Abend schlendere ich durch ruhigere Viertel von Santiago und geniesse es einfach, hier zu sein.


1: Pilgermesse in der Kathedrale
2: Ah ein feines spanisches Churrasco
Mo. 13. Juli, Santiago de Compostela (Ruhetag)
Was schon wieder ein Ruhetag das gibts ja nicht ! Mhh doch es ist wirklich vorbei ! Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich erstmals am Morgen in Ruhe eine Dusche nehmen kann und wieder mal machen, was ich am liebsten mache, nämlich nichts was irgendwie mit Routine und immer gleichen Abläufen zu tun hat. So schaue ich mir um 8 zuerst im Fernsehen live diese Stierenhatz durch Pamplona an, die sich San Fermin nennt und wundere mich, dass man sich an so etwas, das nach 2 Minuten schon wieder vorbei ist, erfreuen kann. Auf jeden Fall können das offensichtlich die Spanier, denn die blutigste Szene, bei der ein Teilnehmer von einem Stier förmlich ausgezogen und schwer verletzt wird, wird etwa 20 mal aus allen erdenklichen Perspektiven im Fernsehen gleich auf zwei Kanälen gezeigt.... So gehe ich nach dem spärlichen Hotel-Frühstück erstmals zum Coiffeur, um mich wieder etwas zivilisierter ausschauen zu lassen. Wieder ganz Zivilist spaziere ich zu einem grossen Einkaufszentrum, da ich unbedingt noch Geschenke brauche. Stattdessen beschenke ich mich selber mit einem Paar feinen Timberland Schuhen und lasse bei dieser Gelegenheit meine Wanderschuhe, die mir bis zum Schluss solche Probleme an den Fussohlen bereitet haben, gleich dort. Wieder in der Stadt treffe ich die 4 netten Mädchen aus der Extremadura wieder, die ich vor einigen Tagen in Mercadoiro kennengelernt habe. Auch die haben es geschafft, bereits das zweite Mal sogar (wieviele Sünden die in ihrem jungen Leben schon loswerden wollen....). Nachdem ich dann per Email auch noch meine Rückkehr in die Schweiz organisiert habe finde ich ein schönes Restaurant, wo ich denn so gegen 16 Uhr mittagesse. Beinahe vor Türschluss gehe ich nochmals in die nun erfreulich leere Kathedrale und schaue mir das an, wessen alle Pilger seit Jahrhunderten kommen, nämlich die Krypta mit dem goldenen Sarg des heiligen Jakobs (dessen Gebeine angeblich dort drinnen sein sollen). Da mich diese Frage aber nicht wirklich interessiert und ich auch nicht wegen dem auf den Jakobsweg gegangen bin, verlasse ich die nach meinem Geschmack zu überladene Kirche bald wieder. Am Abend schlendere ich noch etwas durch die Stadt und erfreue mich an den beiden Opernsängern, die mit ihrem tollen Gesang unter einer Arkade die Innenstadt beleben. Erfreut vom Gesang ziehe ich mich bald zum letzten Mal zurück ins Hotel.




1: Der letzte Blick auf meine Schuhe....
2,3: Um die Kathedrale herum
4: Opernsänger in der Altstadt
Di. 14. Juli - Mi. 15. Juli, Santiago de Compostela - Zürich
Ja heute ist nochmals ein spezieller Tag, denn es geht mit dem Bus in geplanten 32 Stunden zurück nach Zürich. So lasse ich mich elegant und pilgeruntypisch per Taxi zum Busbahnhof chauffieren und erlebe die Stierenhatz in Pamplona grad noch ein drittes Mal live beim Morgenessen. Beim Einsteigen in den Bus treffe ich auch die 3 Schweizer wieder, doch nur Manuel und David fahren mit, Anne läuft noch 1 Monat auf dem Küstenweg zurück. So fahren wir im superbequemen Bus (aber noch kein Vergleich mit Malaysia oder Singapore) um halb 9 los und erstmals in eine Regenschauer rein. Haha es soll jetzt nur regnen hier wir sind ja fertig... Während der Fahrt versuche ich ständig, Bruchstücke meines zurückgelegten Jakobsweges zu finden, aber wegen der schnellen Fahrt und der anderen Perspektive ein Ding der Unmöglichkeit. So akklimatisiere ich mich halt wieder an die ungewohnte Reisegeschwindigkeit und geniesse die spanische Landschaft. Mir kommt es im Bus so vor, als ob ein riesiger Rollmeter, den ich von der Schweiz bis nach Spanien über mehr als 2 Monate ausgelegt habe, im Eiltempo wieder eingerollt werden würde. Die Fahrt ist sehr speziell: War ich nun solange Zeit immer zu Fuss unterwegs, so nehme ich die Landschaft nun nur wie im Fernsehen war, nur als fast virtueller Film, der abläuft und nicht mehr als Ganzes. So entferne ich mich vom Pilgerleben, das im Rückblick ein einmaliges Erlebnis war und ich vermutlich auch nicht mehr so schnell wiederholen werde. Wir fahren quer durch Spanien, durch Frankreich und schliesslich durch die überorganisiserte und übergepflegte Schweiz, bis wir schliesslich nachmittags um 16 Uhr in Zürich ankommen. Ich bin umgeben von gutgepflegten, gutangezogenen, äusserlich perfekt erscheinenden Leuten, die in der Gartenwirtschaft ganz wichtige Projekte und andere Geschäftsprobleme professionell und effizient abwickeln und mich elend angezogenen Pilger nur äusserlich kurz mustern, bevor das ach so wichtige Business ruft, um noch viel wichtigere Sachen miteinander zu diskutieren.
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