Nachdem ich mich so lange auf meinen Besuch in der Schweiz und den Jakobsweg vorbereitet und vorgefreut habe, geht es nun heute endlich los ! Doch der Ärger beginnt bereits draussen vor der Tür mit den Taxifahrern: Der erste, bei dem ich all mein Gepäck eingelade, murmelt mir etwas zu, dass er keine Lust habe, an den Flughafen zu fahren. Als ich insistiere, zeigt er auf die Tankanzeige und stöhnt, dass er kein Benzin mehr habe. So bin ich nach 20 Metern bereits wieder mit meinem Gepäck auf der Strasse. Der zweite Taxifahrer will nicht zum Flughafen fahren weil es "zuviel Verkehr" hat ! Wer will da was verdienen ? Dank der Hilfe der ständig vor dem Condo Tower herumlungernden Jungen fanden wir dann aber bald Taxifahrer Nummer 3, der auch tatsächlich mit mir zum Flughafen fährt, mich aber darauf aufmerksam macht, dass Mittwoch ein ganz schlechter Tag sei, um zum Flughafen zu fahren, da auf halbem Weg, in Baclaran, eine grosse Messe stattfindet, die den ganzen Verkehr blockiere. So müssen wir denn einen ziemlichen Umweg fahren und landen schliesslich doch noch am Flughafen doch Manila sei Dank, selbst direkt vor dem Abflugterminal geraten wir in einen Stau. Glücklichweise noch rechtzeitig und durch die ganze, mir schon bekannte Prozedur durch, bis ebenfalls wieder typisch Asien auf den Frust sofort wieder etwas Positives folgt: Diesmal ist es der Junge bei der Kontrolle der Einstiegkarte, der mir fast schon wie ein Messdiener andächtig mittteilt, dass ich mich am Gate zu melden habe, da ich vermutlich einen Upgrade in die Business Class erhalte. Die Dame am Gate bestätigt mir dann tatsächlich dasselbe, so dass ich mich in der "world’s 5 star airline" 8 Stunden lang bis Doha in Katar verwöhnen lassen darf. Die Sitze, der Bildschirm und die unendlichen Angebote an Filmen und Musik sind ja wirklich der Hammer ! So dröhne ich mir vom Champagner schon leicht beschwipst über Vietnam bei einem Meeresfrüchte Cocktail mit Iron Maiden in Konzertqualität die Ohren voll und über Kambodscha sind dann beim zarten Rindfleisch AC/DC an der Reihe ! Geil ! Ich denke, dass mein Nachbar das weniger geil fand, denn die ganze Zeit wippe ich rythmisch mit Fuss und Kopf zur Musik mit. Doch auch er kann mir natürlich nicht die Vorfreude auf die Schweiz und den Jakobsweg trüben. Abgerundet wird dann das ganze über Myanmar noch mit Motorhead zu Vanille Glace mit heissen Beeren ! Nach der Landung dann der warme Empfang des Personals, die wegen der Gefahr der Schweinegrippe sämtlich in weisse Masken gehüllt sind. Zusammen mit den vielen, bis zu den Augen verhüllten wandelnden schwarzen Säcken ein etwas sonderbares Empfangskommando. Nach mühsamen 5 Stunden quälenden Wartens im überfüllten und arktisch kalten Flughafen gehts dann morgens um halb 3 endlich wieder los. Die nächste gute Nachricht folgt sogleich, denn trotz meinem frustrierenden Abstieg zurück in die Economy Class sind von 247 Sitzen deren 100 nicht belegt, so dass ich mir im richtigen Moment (der erfahrene Traveller lässt grüssen) gleich deren 4 sichere und so fliege ich wieder horizontal meinem Ziel Zürich zu. Als dann auch noch meine Kollegin Regula am Flughafen steht und mich abholt, da bin ich mir wirklich sicher, dass mein Trip zurück in meine alte Heimat nicht besser beginnen kann !
Do. 30. April, Zürich
Es ist schon sehr komisch und auch sehr berührend für mich, nach mehr als 1 1/2 Jahren in einem gänzlich anderen Umfeld wieder duch Zürich zu spazieren und all diese gestressten Typen zu sehen, die bewaffnet mit Handy und Armani Anzug und eingehüllt in diesen unwiderstehlichen Gesichtsausdruck durch die Bahnhofstrasse hetzen und das Leben an sich vorbeifliegen lassen. Vielleicht werde ich ja dem einen oder anderen begegnen, der bei der UBS wegen dieser ach so schlimmen Finanzkrise seinen Job und auch seinen unwiderstehlichen Gesichtsausdruck verloren hat und sich nun auf dem Jakobsweg fragt, was denn alles schiefgelaufen ist... Nach schönen und amüsanten 3 Stunden am Nachmittag mit meiner Tante Ulla fahre ich abends zurück zum Haus von Regula, um meine erste Nacht in der Schweiz zu verbringen.
Fr. 1. Mai, Wermatswil - Einsiedeln - Brunnen
Was für ein Schock für mich als mittlerweilen temperaturverwöhnten Asiaten: Die Temperatur morgens um 6 ist lumpige 2 Grädchen warm, das heisst wirklich nur wenig vom Gefrierpunkt entfernt. Doch gottlob bewähren sich meine wenigen Winterkleider mit Pullover, Soft Shell Jacke und Halstuch und so stapfe ich mit meinem angenehm leichten kleinen Rucksack durch das arktische Wermatswil meinem Bus zu, der natürlich ganz schweizerisch tatsächlich auch zur angegebenen Minute eintrifft. Nachdem sich nach einiger Zeit nach der Busfahrt und der mittlerweilen zweiten Zugfahrt nach Einsiedeln auch meine Sinne zu enteisen beginnen nehme ich einen strahlend blauen Himmel ohne das kleinste Wölkchen war. Tja wenn Engel reisen... In Einsiedeln gehts dann direkt zum Kloster und nach andächtigen 5 Minuten auf dem harten Kirchenbank hole ich mir bei Bruder Alexander meinen ersten Pilgerstempel und dann beginnt er, mein Jakobsweg bei Kilometer 0 ! Vor mir sind 2213 km quer durch die Schweiz, Frankreich und Spanien nach Santiago de Compostela, wo ich gemäss Planung in etwa 3 Monaten eintreffen sollte.... Mir ist es wehmütig zumute, aber dank den eisigen Temperaturen fällt es mir nicht schwer, einen zügigen Schritt zu finden und den auch die nächsten 5 Stunden 550 Höhenmeter hoch und fast 1000 Höhenmeter runter zu behalten. Zuerst geht es in fast schon zu schöner und kitschiger Landschaft dem Fluss entlang bis nach einer Weile der Weg steil hoch geht auf den höchsten Punkt meines Jakobsweges, auf die 1414 m hohe Haggenegg durch zum Teil noch anständig viel Schnee. Da meine bevorzugte Unterkunft im Kloster an meinem Etappenort bereits schon besetzt ist wandere ich etwas beunruhigt nach Brunnen, da ich nach meinen Erlebnissen mit der Kälte nun nicht unbedingt eine Nacht im Stroh verbringen will. In Brunnen komme ich müde an, finde eine etwas herutergekommene Unterkunft und muss mich zuerst mal bis zum Abend ins Bett begeben, ehe mein Geist, meine Muskeln, meine Füsse und meine Beine das OK geben für eine Dusche. Den Abend verbringe ich im warmen Bett mit dem Nachtessen, der Vorbereitung der morgigen Etappe, dem Schreiben des Reiseberichtes und mit viel Trinken.



1: es geht los: km 0 in Einsiedeln
2, 3: die ersten Kilometer Richtung Haggenegg
Sa. 2. Mai, Brunnen - Stans
Regen als ich aus dem warmen Bett blicke... Oh je ! Glücklicherweise lässt der aber schon bald nach und so dampfe ich gemütlich mit dem Schiff auf die gegenüberliegende Seeseite nach Treib. Hier wartet ein schöner Anstieg nach Emmeten auf mich. Doch der Wettergott hat es offensichtlich nur einen Tag gut mit mir gemeint, denn kurz darauf setzt der Regen erneut ein und ist mir während den nächsten 3 Stunden durch den Wald ein treuer Begleiter. Der neu gekaufte Regenponcho lässt trotz dem Label “extrem“auch ein bisschen zu wünschen übrig denn es scheint mir so, dass ich ein semipermeables Exemplar erwischt habe. Glücklicherweise erspähe ich während des mühseligen Aufstiegs nach Emmeten im letzten Moment einen Wegweiser, der es mir ermöglicht abzukürzen und daher auch nicht den ganzen Aufstieg machen zu müssen. Immerhin bewähren sich die Gore Tex Schuhe, denn bis ins Ziel werden meine Füsse nur ganz schwach feucht. Dafür meldet sich unter dem rechten Fussballen eine ziemlich grosse Blase hartnäckig und ermöglicht mir, nur leicht schief auf den letzten Asphaltkilometern zu laufen. So treffe ich denn um 3 müde und hinkend, jedoch bei trockenem Himmel in Stans ein, wo mein Weg zuerst zum Coop führt und ich meinen Flüssigkeitshaushalt wieder ins Lot bringe. Danach suche ich mein Privatzimmer und treffe eine sehr nette junge Frau an, die mich bei ihr einweist. Bis halb 6 verbringe ich wiederum therapeutisch für meine geschundenen Füsse und Muskeln im warmen Bett (ah wieso muss das in der Schweiz auch immer so saukalt sein). Danach treffe ich Delia, eine Schulkollegin aus der Maturzeit, die ich schon seit über 20 Jahren nicht mehr gesehen habe und verbringe einen sehr schönen Abend im Kreis ihrer Familie.
So. 3. Mai, Stans - Zollhaus Giswil
Ah was für eine Freude am Morgen: Ein sternenklarer Himmel begrüsst mich ! Sogar einigermassen vernünftig kann ich auch wieder aufrecht stehen. Nun noch das Pflaster auf die rechte Fussballe, den Rucksack packen und los gehts. Zuerst bei der Bäckerei ein Birchermüsli rein und bald darauf bin ich schon im Anstieg über Stans. Nun geht es durch eine traumhafte, fast schon kitschige Landschaft unter dem tiefblauen Himmel. So komme ich sehr zügig voran und bin schon vor dem Mittagessen am geplanten Tagesziel Flüeli-Ranft. Tja ich bin grad so gut im Schuss und möchte den schönen Tag auch nicht unter den vielen Tagestouristen verbringen und so mache ich mich wieder auf den Weg runter zum Sarnersee und diesem entlang. Langsam aber stetig meldet sich auch meine Blase am Fuss wieder, ebenso meine Gelenke und viele meiner Muskeln und meinen, dass es für heute langsam reicht. Auch mein Kopf ist ganz froh, dass nach langer und etwas öder Wanderung enlang des Sees endlich das Zollhaus, meine nächste Unterkunft, auftaucht. So nehme ich mein Mittagessen unter strahlend blauem Himmel ein (was mir auch bereits schon einen kleinen Sonnenbrand beschert) und verbringe den Rest des Nachmittags schon gewohnt im Bett, bevor ich mich mit einem Bad stärke und im Restaurant esse. Neben mir sitzen 4 Damen aus dem Tirol, die offensichtlich das gleiche wie ich vorhaben, aber die lamentieren dermassen lautstark, dass ich als schon halber Asiate absolut keine Lust habe, mit denen zu diskutieren (wenn ich nur jetzt schon wüsste, dass mich eine der Damen in ein paar Tagen davor bewahren wird, eine längere Zwangspause machen zu müssen). So bin ich schon um 9 im Bett und geniesse bei toller Musik aus meinem elektronischen Wunderding den Abend und lasse es vor allem meinen Füssen so richtig gutgehen.

Mo. 4. Mai, Zollhaus Giswil - Brienz
Was für ein unzuverlässiger Schweizer Wettergott ! Nach dem gestrigen sonnigen Tag wieder Regen beim Aufstehn ! Beim Abmarsch Richtung Brünig regnets immer noch, gottlob aber nur schwach. Trotzdem muss der Poncho wieder raus. Zügig gehts dann Richtung Brünigpass. Nach einer Stärkung im Restaurant folgt dann wegen meines immer noch lädierten rechten Fusses ein ziemlich mühsamer Abstieg via Brienzwiler bis runter zum Brienzersee nach Brienz. Für happige 60 Franken finde ich ein Gästezimmer, darum kaufe ich bei Coop ein währschaftes Nachtessen mit Käse, Rohschinken und knusprigem Brot. Das Gästezimmer bietet zwar eine tolle Aussicht auf den Brienzersee, ist jedoch wirklich saukalt, so dass ich um einen extra Ofen bitten muss. Na bitte, danach wird es wärmer und so verbringe ich den Rest des Abends im... wo sonst... im warmen Bett und stelle eine kleine Entzündung der Fussehne des rechten Fusses fest. Wenn das nur nicht schlimmer wird...


1,2: Auf dem Abstieg vom Brünig: Saukalt ist es für mich !
Di. 5. Mai, Brienz - Interlaken
Beim Aufwachen vom Bett aus eine schöne Alpenkulisse zu haben ist schon was, vor allem wenn es noch nach schönem Wetter ausschaut. Nach dem Frühstück mit dem Ehepaar, dass das Privatzimmer vermietet hat, gehts los aber leider nicht so gut, denn ständig merke ich meinen entzündeten Muskel oberhalb des Ristes, den ich mir vermutlich wegen einer anderen Gehart wegen der Blase am gleichen rechten Fuss mir geholt habe. Nun ja aufwärts geht es ja, aber abwärts auf Asphaltstrassen ist sehr unangenehm. Unterwegs nehme ich nach 3 Stunden mein Birchermüsli zu mir, das ich noch gestern im Coop gepostet habe. In Interlaken dann beschliesse ich, für meinen Fuss etwas Gutes zu tun und die heutige Etappe hier zu beenden. Noch bei der Apotheke vorbei und eine anständige Salbe kaufen (nach einigen Diskussionen mit der netten Berner Bedienung um eine kleine Tube kriege ich schlussendlich ein Muster geschenkt) und dann gehe ich nach einigen Umwegen in ein Backpacker Hotel...und verbringe die nächsten Stunden gut gesalbt im warmen Bett mit Aussicht auf die frisch verschneiten Berge. Es ist dementsprechend auch wirklich wiederum saukalt. Am Abend holt mich mein alter Studienkollege Remo ab und wir verbringen einen wirklich sehr angenehmen und gelungenen Abend fernab von Pilgern in einem schönen Restaurant in Interlaken.
Mi. 6. Mai, Interlaken - Amsoldigen
Nach dem feinen Frühstück inmitten von amerikanischen und koreanischen Abenteuertouristen gehts erstmals zum Coop Pronto, wo ich mein Birchermüesli kaufe und dann schon bald aus Interlaken raus wo ich auf einen sehr idyllischen Waldweg gelange. Meinem Fuss gehts leider nicht besonders gut, denn schon geradeaus auf guter Unterlage muss ich leicht hinken. Schlimm wirds dann beim Abstieg von der Beatushöhle auf einem steilen asphaltierten Strässchen. Nur mit Mühe gelingt es mir, einen Fuss vor den anderen zu setzen und muss mich immer wieder am Geländer festhalten. Nach etwa 3 Stunden treffe ich dann in Merligen ein und habe bis zur Abfahrt des Schiffes nach Spiez mehr als eine Stunde Zeit zur Erholung. Tja und dann treffen auch die 4 Tirolerinnen ein und vorbei ist es mit der Ruhe ! Eine der Damen entpuppt sich als veritable Bergführerin und Physiotherapeutin. Sie nimmt sich auch sofort meines lädierten und mittlerweilen auch geschwollenen Fusses an, beginnt ihn zu dehnen und gibt mir Tips für die eigene Therapie. Siehe da, schon gehts mir etwas besser ! Bei der Überfahrt mache ich selbst noch ein paar Übungen und beim Abmarsch in Spiez versuche ich auch gleich anders zu laufen, will heissen, dass ich das Hinken unterlasse und ganz normal auf dem Fuss abrolle. Das tönt jedoch wegen den höllischen Schmerzen einfacher als es ist aber es nützt tatsächlich ! Motiviert durch die spürbaren Fortschritte laufe ich den Spiezberg hoch und in fast schon kitschig schöner Umgebung bei Sonnenschein Richtung meinem Tagesziel, bis ich mich dann in Einigen / Gwatt verlaufe. Dank der Hilfe meines GPS und der gütigen Mithilfe von Passanten finde ich den Weg dann aber wieder. Mir endlos scheinend marschiere ich auf einer fast schnurgeraden asphaltierten Strasse inmitten eines eigentlich schönen Waldes, doch ich seh nur noch das Bett vor mir. Nach fast einer Stunde geht der Wanderweg nochmals 50 Höhenmeter hinauf (ich taufe diesen blöden Hügel wie die Triatlethen “heartbreak hill“) und dann ist es endlich vor mir, das ersehnte Etappenziel Amsoldingen. Ich schleiche vor Müdigkeit und Schmerzen schon fast durchs Dorf und beim ersten Bed & Breakfast Schild frage ich nach einem Zimmer und tatsächlich ist auch noch eins frei. So setze ich mich nach 17 Uhr auf einen Stuhl und geniesse den kühlen Apfelsaft bei dem sehr netten Ehepaar Siegfried. Als Dorf mit 800 Einwohnern gibt es keine Läden mehr und das einzige Restaurant ist auch nur noch am Wochenende geöffnet. So kocht mir denn die Frau Siegfried ein super Znacht mit einem herrvorragenden Kopfsalat an einer ausgezeichneten Sauce. Nach dem Essen und den obligaten Dehnungsübungen falle ich sehr müde ins Bett und schlafe sofort ein.



1: Während der Überfahrt auf dem Thunersee mit den Tirolerinnen
2: Der Niesen, Hausberg von Spiez
3: Auf dem Spiezberg, Blick zurück auf den Thunersee
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