Mi. 27. Mai, Le Puy en Velay - Monistrol d'Ailler Heute geht es los auf die erste Etappe der Via Podiensis, die mich in etwa 3 Wochen bis nach Spanien führen soll. Aber nach einem so schönen Ruhetag habe ich morgens um 6 absolut keine Lust, mich aus dem warmen Bett ins kalte Zimmer zu begeben. Na ja, irgendwie klappts dann doch noch und ich verlasse das Hotel. Auf dem Weg schlinge ich noch 2 so eine Art Schokoladenbrötchen runter und laufe zur Kirche hinauf. Morgens um 7 findet nämlich jeden Tag eine Messe extra für die Pilger statt und es war ja auch hier, wo der erste Pilger um 950 n.Chr. nach Santiago startete. Nun ja, der erste Schock stellt sich ein, als sich im gesamten ca. 50 Pilger, meist Franzosen über 60, hier einfinden. Von der Messe selbst kann ich mich nur noch erinnern, dass jemand schön sang und ich immer aufstehen und absitzen muss. Das ist nicht so einfach, denn als langer Kerl muss ich meine Beine immer so komisch um das Brett im Fussraum schlingen. Zusätzlich sitze ich in der zweiten Reihe, so dass ich immer nach hinten schielen muss, wann man nun aufstehen oder wieder absitzen muss. Am Schluss stehen jedoch alle im Halbkreis zusammen und dürfen mit dem Pfarrer kommunizieren, der nach der Messe um diese Zeit bereits schon eine ziemliche Alkoholfahne hat. Ein Tscheche bleibt mir in Erinnerung, von dem später noch prominent die Rede sein wird. Nach einer Stunde ist das Ganze überstanden und ich mache mich auf den Weg ins nächste Café direkt am Jakobsweg. Das ist schon erstaunlich, denn von dieser ganzen Horde Rucksacktouristen kommt keiner vorbei. Was machen die auch alle ? Gegen halb 9 mache ich mich bei leicht bewölktem Himmel und ziemlich kühler Luft auf den Weg. Die neuen Einlagen in den Schuhen sind der volle Hammer, ich laufe viel besser als vorher. Voller Zuversicht wandere ich über die auf 700 bis 900 m gelegene vulkanische Hochebene, erfreue mich an der schönen Landschaft und der guten Luft. Nach einem Zwischenhalt mit 2 warmen Quiche Lorraine und einem Liter Mineralwasser gehts weiter und nach einem steilen Abstieg erreiche ich im Laufe des Nachmittags mein Ziel, ein Dorf eingebettet zwischen steilen Flanken am Ufer des Flusses Ailler. Ich bin natürlich der erste in der Unterkunft und so entscheide ich mich für ein Einzelzimmer mit Halbpension. Beim Nachtessen sind noch 3 andere Partien anwesend, alles Franzosen über 60. Wo sind auch all die Jungen ? So gehe ich nach dem Nachtessen und der Etappenplanung für morgen auch schon bald schlafen.

1: wieso muss es auch immer so kalt sein ?
Do. 28. Mai, Monistrol d'Ailler - Lajo Bei bedecktem Himmel und etwa 5 Grad Kälte gehts nach dem Frühstück los aus diesem Loch, das heisst mit einem saftigen Anstieg von etwa 500 Höhenmetern. Den ganzen Tag wandere ich bei idealen Bedingungen durch eine eigentümliche Landschaft. Ich überhole immer mehr Pilger, wiederum nur Franzosen über 60. Beim Mittagshalt auf einem Bänkli in einem Restaurant eines urigen Dörfchens verzehre ich ein riesiges Sandwich mit 2 Gläsern Milch. Gleich reserviere ich noch meine Unterkunft, da das Pfingstwochenende naht und dann in den relativ wenigen Unterkünften sicher alles ausgebucht sein wird. Nach dem Essen geht es gemütlich weiter durch eine immer noch spezielle Landschaft hier in der Auvergne auf etwa 1000 Metern. Um 16 Uhr komme ich dann endlich froh und müde beim vereinbarten Treffpunkt, einer alten Kapelle, an. Ich lege mich gemütlich ins Gras und warte bis um 17 Uhr, wo ich von der sympathischen Gastgeberin der Unterkunft mit dem Auto abgeholt und zu ihr ins nächste Dorf gefahren werde. Nach einem feinen nahrhaften Nachtessen zusammen mit 4 weiteren Franzosen im nahen kleinen Restaurant gehe ich müde und zeitig ins Bett, denn morgen winkt eine sehr lange Etappe.

1: Abschied aus Monistrol d'Ailler
Fr. 29. Mai, Lajo - Les Gentianes Wiederum bei bedecktem Himmel, kalten Temperaturen und stürmischen Winden werde ich vom Eigentümer der Unterkunft zurück zum Weg gefahren. Obwohl er mich wegen meines langen Weges fast ein bisschen für verrückt erklärt beichtet er mir dann während der Autofahrt noch, dass er eine Trekkingtour in Vietnam organisiere, vom Norden ganz in den Süden runter. Ja wer ist wohl verrückter ? Herzlich verabschieden wir uns dann voneinander. Die Wolken weichen im Laufe des Morgens einem strahlend blauen Himmel und ich laufe wiederum den ganzen Tag in einer wildromantischen abgelegenen Landschaft auf ca. 1000 Metern vorwiegend auf Naturwegen. Heute habe ich mir eine etwas längere Etappe von 38 km vorgenommen bei nur noch geringen Höhenunterschieden. So gehts wieder zügig voran bis zu meinem Mittagshalt in Aumont-Aubrac. Wegen diesen miesen Öffnungszeiten muss ich mich regelrecht beeilen, um vor der Mittagspause noch rechtzeitig einen offenen Laden zu erwischen. Das gelingt auch wiederum ganz knapp und so setze ich mich mit meinen 300 g Karottensalat, 4 Yoghurts und 1 Liter Grapefruitsaft auf eine sonnige Bank und geniesse mein Königsmahl. Nach dem Essen sind noch lange 15 km zu bewältigen bei wechselnder Landschaft, die Nadelwälder wechseln sich jetzt ab mit einer atemberaubenden offenen Landschaft fast wie in Afrika, nur das mir bis zum Etappenort nur Kühe begegnen. Froh bin ich dann um das Einzelzimmer, das in der Unterkunft noch frei ist. Um 1900 essen wir in fröhlicher französischer Runde und noch einer Deutschen mit einem Total von 28 Personen eine Spezialität der Region, die sich Aligot nennt. Das ist in etwa eine Mischung aus Käsefondue und Kartoffelstock und ist natürlich entsprechend nahrhaft. Nach dem Nachtessen lasse ich die gewaltige Landschaft nochmals auf mich wirken und freue mich auf eine kürzere morgige Etappe von nur 26 km, so dass ich sogar den Luxus geniessen werde, etwas auszuschlafen.





1-5: Unterwegs in wundervoller Landschaft im Aubrac
Sa. 30. Mai, Les Gentianes - Saint-Chély-d'Aubrac Ich bin tatsächlich einer der letzten, die das Frühstück hier einnehmen. Gemütlich gehts los bei zügigem Wind ja und ihr glaubt es ja eh nicht, strahlend blauem Himmel, wiederum durch eine kahle grossartige Landschaft, die mich wie eine Mischung aus Neuseeland und Mond dünkt. Unterwegs treffe ich noch die Schweizerin Dagmar, die mit 2 ägyptischen Araberpferden unterwegs ist. In dieser Landschaft halten wir auch zum Mittagessen an und beobachten eine Herde der hier typischen Aubrac Rinder samt 2 dazugehörigen Bullen. Einfach überwältigend für mich diese Eindrücke, währenddem wir an einem einfachen Steinmäuerchen lehnen, um etwas Schutz vor dem kühlen Wind zu finden. Am Nachmittag bedeckt sich der Himmel etwas und zusammen mit einem anderen Schweizer mache ich mich erstmals seit längerer Zeit auf dieser Hochebene auf einen Abstieg wieder tief in den Wald hinein, wo ich in einer netten Unterkunft das Zimmer mit einem Franzosen aus Rennes und einem etwas zu deutschen Deutschen teile. Voller Schrecken stelle ich bei der Kontrolle meiner Habseligkeiten fest, dass ein Tragriemen meines Rucksacks halb eingerissen ist. Der Franzose näht mir mit seinem Spezialfaden den Tragriemen wieder an und gemeinsam genehmigen wir uns ein paar Bier und essen mit einer Gruppe Franzosen, die alle mit dem Koffer auf Wanderferien sind... Das will heissen, dass sie sich den Hauptteil des Gepäcks mit einem Bus an ihr nächstes Etappenziel karren lassen...




1,2: Wiederum in einer atemberaubenden Landschaft im Aubrac
3: Dagmar mit den beiden Pferden und Thomas
4: auf Du und Du ohne störenden Zaun....
So. 31. Mai, Saint-Chély-d'Aubrac - Estaing So es ist wieder mal soweit: Ich werde mit Blitz, Donner und Regen geweckt.... Oh je... Nun ja, ich habe heute eine längere Etappe und gehe ohne Frühstück aus dem Haus, denn die Koffertouristen haben die Frühstückszeit definiert und die ist natürlich später als das, was ich wollte. So gehe ich im Regen um 7 zum schon geöffneten Café de la Mairie und werde von einem echten Seebär von Mann empfangen, der mir auch ein richtig grosses Frühstück serviert. Siehe da, als ich losmarschieren will hört es auf zu regnen und es zeigt sich schon wieder die Sonne. Eine Stunde später ist es dann schon wieder gewohnt blau. Ich geniesse das Laufen in der frischen Luft und beginne den Abstieg runter ins Flusstal der Lot, die mich nun den ganzen Tag über begleiten wird. Das heisst auch Abschied vom schon vertrauten und erfrischenden Wind und der Eintritt in eine gemässigtere, sprich auch wärmere Klimazone. Leider muss ich mich noch durch 2 happige Auf- und Abstiege quälen, dabei hätte ich einfach der Strasse entlang laufen können. Aber eben was macht man nicht alles für die Aussicht... So komme ich denn ziemlich geschafft und von einem kurzen Unwetter mit Hagel und Regen aufgehalten am Abend in Estaing an, ja genau das ist der Ort, wo der frühere französische Staatspräsident Giscard seinen Namen her hat, respektive sich hier eingeheiratet hat. Das Ganze ist sehr touristisch und viele Franzosen quälen sich heute Sonntag durch die engen und zum Teil steilen Gässchen dieses hübschen Örtchens. Die Unterkunft ist in einem klosterähnlichen Gemeinwesen und ich werde von Monique sehr nett empfangen und durchs Haus geführt. Nach der heissen Dusche ist wie immer Entspannen und Fussmassage angesagt und ich warte hungrig aufs Nachtessen. Wir essen alle zusammen, es ist nicht berauschend, aber wieder mal so richtig einfach und nahrhaft, typisch Spaghetti halt. Nach dem Nachtessen bereitet uns Petrus wieder mal ein Spektakel mit Blitz, Donner und Regen.





1-4: Eindrücke vom heutigen Wandertag
5: Ankunft in Estaing
Mo. 1. Juni, Estaing - Conques Am Morgen hat sich das Wetter bereits wieder beruhigt und da es erst um 0745 Morgenessen gibt und ich eine grosse Etappe geplant habe, geht es halt ohne Frühstück los direkt zum Bäcker und dann ins Café. Dieses aufgeblasene Gebäck ist bald mal verzehrt (die Energie hält auch nur für höchstens 2 Stunden) und so gehts auch bald los mit einem happigen Aufstieg durch den Nebel und... jawohl ihr wisst es schon.... in den schönsten Sonnenschein hinein. So langsam machen sich mein Magen und ich uns Sorgen, ob der von mir angepeilte Laden auch geöffnet ist, sonst müsste ich ohne Verpflegung weitermarschieren. Tatsächlich taucht aus einem Wald ein wieder mal ziemlich abgelegenes Dorf auf mit einen wunderschönen und auch geöffneten Laden. So verzehre ich auf dem Balkon des Ladens mein zweites Frühstück und kaufe auch gleich noch das Mittagessen ein. Guten Mutes marschiere ich weiter, leider wieder mal mit mehr Hügeln als vorher in der Planung ersichtlich war. So bin ich denn froh, dass ich zum Mittagessen einen schönen Picknickplatz direkt neben einer Kirche finde und lege mich genüsslich ins Gras, um meine Fürstlichkeiten, einen mexikanischen Salat und 2 Äpfel, zu geniessen. Nach der Pause gehts noch 9 km weiter und ich treffe einen Deutschen, der unbedingt jeden Tag 24 Kilometer machen muss, damit er seinen schon gebuchten Zug erwischt. Typisch Deutsch kann man da wohl nur sagen ! Gekrönt wird der Nachmittag von einem steilen Abstieg ins erstaunliche Conques, von dem noch 5 Minuten bevor man bei der Kirche ist, nur Wald sieht. Conques ist ein alter Einsiedlerort und ein wichtiger Pilgerdurchgang und nimmt mich irgendwie gleich sofort gefangen. Sowas hab ich echt noch nicht gesehen, einen Ort ganz aus Stein an einen steilen Hang mitten im Nichts, d.h. im dichten Wald, gebaut. Das Kloster hat trotz dem französischen Touristenstrom noch ein nettes Einzelzimmer frei. Als ich im Zimmer bin realisiere ich, dass ich mich Tag für Tag meinem Ziel in Spanien nähere und bis jetzt eigentlich, abgesehen von den Blasen, alles gut ging und falls ich Hilfe brauchte, war sie da wie die nette Tirolerin in der Schweiz, die mir gezeigt hat, wie ich meine Geschwulst am Fuss wieder wegbringe oder der nette Bretone vor 2 Tagen, der alles vorhanden hatte, um den Tragriemen an meinem Rucksack zu nähen. So mache ich mich nach der Dusche auf einen entspannten kleinen Rundgang durch dieses erstaunliche Dorf und bei einem Zitronensorbet in einem Strassencafé bei frühlingshaften Temperaturen schreibe ich meinen Tagesbericht. Das Nachtessen nehmen alle gemeinsam ein und danach folgt in der Kathedrale die Pilgermesse. Die Kathedrale ist sehr nüchtern gehalten und ebenfalls nur aus Stein, gleichzeitig ist der Turm sehr hoch. Das gibt eine einzigartige Akkustik und dementsprechend nimmt mich die Musik und der Gesang des Pilgerliedes aller Pilger, gefangen. Nach der Pilgermesse gibt es für alle ein Orgelkonzert mit gleichzeitig wechselnden Lichteffekten. Ich bin überwältigt von der Musik, die auch absolut nicht sakral ist, sondern eher modern. Überwältigt falle ich danach ins Bett.



1-3: Eindrücke von Conques
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